Laudatio von Dr. Hans Götze
Der Versuch einer Laudatio, bezogen auf ein paar gemeinsame Erinnerungen, sehr subjektiv erzählt.
1.„Wenn du nicht artig bist, kommst du ins Bauhaus!“
Mit dieser Drohung versuchten die „artigen“ Dessauer, ihre Kinder auf den rechten Weg zu führen.
Im Streben, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, beschloss 1932 die Stadt die Auflösung des Bauhauses in Dessau und bereitete somit dem Spuk ein Ende.
Die konstruktive Sparsamkeit verhinderte, dass den „Bauhausbauten“ „deutsche Dächer“ aufgesetzt werden konnten.
Die zwei geplanten Gauforen an Elbe und Mulde kamen allerdings auch nicht mehr zur Ausführung, das alte Dessau hörte bald auf, zu existieren.
Die Flugzeugingenieure setzten ihre Arbeit in Moskau und Dresden fort. Damit war der Traum einer von Idylle und Machthunger geprägten Residenzstadt endgültig zerplatzt, die umgebende Provinz blieb bis heute von all dem verschont und will nicht so recht wach geküsst werden.
Auch nach 1945 konnte sich die Mehrheit der Dessauer noch immer nicht mit dem Bauhaus identifizieren und das ist im Grunde genommen bis heute so geblieben.
So scheiterte mit der „Planungsgemeinschaft Bauhaus“ bereits nach wenigen Monaten eine zweite Wiederbelebung.
Wenige Jahre darauf sah Werner das Licht in anhaltischen Landen, ca. 20km vom Bauhaus entfernt.
Mit dem Neuaufbau wandelte sich Dessau von der „Junkers-“ zur „Baustadt“.
Weitere Jahre vergingen, bis auf Initiative der Berliner Bauakademie und der Weimarer Hochschule für Architektur, nach umfassender Rekonstruktion, 1986 das „Bauhaus Dessau“ neu eröffnete.
Diesmal sollte es funktionieren.
Mit dem „Industriellen Wohnungsbau“ prägte nun das innenentwässerte Flachdach einen Großteil der Stadt im Grünen.
Die städtische Planungsabteilung stand vor wachsenden Herausforderungen, der kleinsten sozialistischen Großstadt ein zeitgemäßes Antlitz zu verleihen. Nach einigen Nachkriegsverlusten und langem Ringen hatte man sich geeinigt, welches Erbe zu dem fortschrittlichen und welches zu dem weniger fortschrittlichen gehört, so dass die Stadt wieder einmal neu sortiert werden konnte. Seitdem hat sich kaum etwas gewandelt.
Neben anderen hochmotivierten Architekten der „dritten Welle“ stand Werner an seinem Zeichentisch, welcher nicht mehr in das Dessauer Rathaus gepasst hatte. Dem Neubau auf innerstädtisch „grüner Wiese“ war die Altbausanierung „im bewohnten Zustand“ gefolgt“.
2.„Schüler und Studierende, kommt ans Bauhaus!“
So wurde in den 1920er Jahren geworben.
Ab 1986 kamen noch keine Schüler und Studierende, und als unartig konnte man die neuen und nicht mehr ganz so jungen Kollegen, auch nicht bezeichnen.
Neben dem bereits existierenden Bereich Sammlung wurde die Abteilung „Architektur und Städtebau“ gegründet.
Irgendwie kamen wir Vier zusammen, um die neue Abteilung mit Leben und Inhalten zu füllen.
Rainer Weißbach, wegen seiner Haarmenge auch „Wuschel“ genannt, hatte in Weimar Architektur studiert und strahlte Ruhe aus.
Elard Sieg kam aus Halle und hatte sich mit dem kunstgeschichtlichen Thema Lothar Zitzmann beschäftigt, sorgte zuweilen für etwas Spannung.
Hans Götze wurde an der Dresdner TU als „Bauhaussklave“ bezeichnet, hatte schon lange zuvor vom Bauhaus geträumt, und nutzte die erst beste Gelegenheit um als Architekt nach Dessau zu kommen.
Werner hatte allen anderen gegenüber mehrere Vorsprünge.
Er kam aus Dessau. kannte sich hier aus und hatte noch gute Beziehungen zum Planungsamt.
- Er hatte bereits mit Marianne eine große Familie mit Dessauer „Sonnenköppen“ gegründet.
- Zusammen lebten sie in einer WBS-70- Wohnung mit Straßenbahnhaltestelle vor der Nase. Dazwischen bog sich die Fernwärmeleitung.
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch, welcher mich durch das Treppenhaus führte, welches voll mit Figuren aus Sutejews Kinderbüchern bemalt war. An der Wohnzimmerwand hing ein großer Teppich von Werners Vietnameinsatz, wo er für Dessaus Partnerstadt Aufbauhilfe geleistet hatte. Im vollen Bücherschrank, die komplette Ausgabe der Zeitschrift „Mosaik“. Wir unterhielten uns über Mariannes Schule und natürlich über Vietnam.
Werner war in unserem Quartett der ständig gut gelaunte Praktiker, oder derjenige von uns, der am besten wusste, wie Ideen auch baurechtlich umgesetzt werden konnten.
3.„Kunst und Handwerk bilden eine neue Einheit“
Im Vergleich zu dem, was heute möglich ist, befanden wir uns damals noch in der Phase, in welcher sich 60 Jahre zuvor das „Staatliche Bauhaus Weimar“ befand. Diese besondere Nähe zum Materiellen und die Verwobenheit mit dem wachsenden Stamm neuer Bauhäusler machten den einmaligen Reiz des Beginns in den 1980er Jahren aus.
Dank unseres technischen Direktors wurden wir nicht nur mit Planungsaufgaben versorgt, sondern erhielten bald auch hervorragende Arbeitsbedingungen und Freiräume. Höhepunkte bildeten Architekturwettbewerbe, Gestaltung von Ausstellungen, raumgreifender Gebäudeschmuck zu Bauhausfesten, Vorbereitung, Teilnahme und inhaltliche Betreuung diverser internationaler Workshops, Kolloquien etc. und natürlich auch Architekturentwürfe.
Alles schien einfach und einfach so zu bleiben.
Ich erinnere mich an üppige Aktionen zur Erstellung individueller Einladungs- und Grußkarten zum Neuen Jahr oder zum Frauentag, an gesellige Fachexkursionen, auch zum Frauentag, Treffen mit der Garnison, deren Kommandantur sich gleich neben dem Bauhaus befand. Einmal hatte einer unserer sperrigen Transporte das einzige freihängende Telefonkabel zerrissen…
Jedes Jahr wurde der Tag des Bauarbeiters begangen, was unsere Praxisnähe unterstrich.
Die Pausen, welche derartige offizielle Veranstaltungen in unsere kreative Arbeit rissen, füllte Werner ungeheuer emsig mit Kritzeleien, welche später die Grundlage seiner Grafiken bildeten. Nur er weiß, welche Informationen und Emotionen hier einflossen. Das Genre Suchbild mit lustvoll versteckten Botschaften war entstanden.
Die „Wende“ vollzog sich im Bauhaus vorerst weniger spektakulär als vor dem Dessauer Rathaus.
Zaghaft und mühevoll wurde das sog. „Rechnergestützte Entwerfen“ mehr ein- als umgesetzt. Wir klebten noch zu sehr am Brett und Skribent, bzw. an Wellpappe und Sprühkleber.
Werner hatte als erster entdeckt, dass man mit dem CAD-Programm auch Kunst machen konnte.
Das Bauhaus wurde den neuen gesellschaftlichen Interessen angepasst und an „einheimischen“ Architekten bestand bald kein Interesse mehr. Die nicht mehr in das Konzept des neuen Direktors passten, wurden erst outgesourct und dann entlassen. Auf die frei gewordenen Stellen gab es genug Anwärter. Ein weitgehend unbekanntes Kapitel ging zu Ende.
Während wir noch träumten, muss Werner die neuen Zeichen der Zeit schon relativ früh erkannt haben und nutzte die Chance, wieder in eine Stadtverwaltung zurückzukehren. Nun leitete er erst mit ungebrochenem Elan und dann mit nachhaltigem Erfolg das Planungsamt im benachbarten Köthen.
Auf halber Strecke baute er sich eine neue Heimat auf, welche nun auch den vielen Enkeln Platz bot.
Schlosspark und das Dorf Mosigkau schließen das einst von Fürst Franz gestaltete Gartenreich im Westen ab. Solitäreichen und Auenwälder entfalten ihre Pracht im alljährlichen Hochwasser, wenn die Mulde nicht mehr von der Elbe aufgenommen wird. Die Kraft dieser, von scheinbarer Ewigkeit und Wandel geprägten Kulturlandschaft gibt Werners Kunst meiner Meinung nach den größten Impuls und lädt uns ein, ihn auf seinen Wegen zu begleiten.
Was wollen wir länger warten!